Eine neue Analyse zeigt, dass in der berühmten Zeichnung von Leonardo da Vinci bisher unbekannte geometrische Proportionen verborgen sind. Die Entdeckung wurde von einem Londoner Zahnarzt gemacht.

Leonardo da Vinci schuf den „Vitruvianischen Menschen“ im Jahr 1490 und verband dabei Kunst mit Wissenschaft und Mathematik. Die Skizze zeigt einen idealisierten Mann in zwei Posen: in einer mit den Beinen und Armen, die den Buchstaben T bilden und den Rand eines eingeschriebenen Quadrats berühren, und in der anderen in Form eines Sterns, mit ausgestreckten Armen und Beinen, die den Rand eines eingeschriebenen Kreises berühren.
Bislang waren viele Forscher davon überzeugt, dass da Vinci den sogenannten Goldenen Schnitt verwendet habe, also ein Verhältnis von etwa 1,618. Wie Popular Mechanics erklärt, lässt sich dieser finden, indem man eine Linie in zwei Teile teilt, sodass das Verhältnis des Ganzen zum längeren Abschnitt dem Verhältnis des längeren zum kürzeren Abschnitt entspricht.
Nachfolgende Analysen widerlegten jedoch die Hypothese des Goldenen Schnitts und wiesen darauf hin, dass es keine eindeutigen Beweise für das Vorhandensein dieses Verhältnisses in der Zeichnung gibt.
Neue Theorie: gleichseitiges Dreieck und Unterkiefer
Der Londoner Zahnarzt Rory McSweeney veröffentlichte in einer wissenschaftlichen Zeitschrift eine Analyse, in der er die Form des menschlichen Kiefers mit einem gleichseitigen Dreieck in Verbindung bringt, das in der Position der Beine der Figur auf der Zeichnung zu sehen ist. Seiner Meinung nach könnten diese Proportionen ein tieferes Verständnis der Biomechanik da Vincis widerspiegeln.
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In seiner Arbeit untersucht McSweeney den Zusammenhang zwischen dem von da Vinci beschriebenen gleichseitigen Dreieck und dem sogenannten Bonville-Dreieck, das die Spitzen des Kiefers mit den Spitzen der unteren Frontzähne verbindet.
Wie Mac Sweeney schreibt, zeigen zahnmedizinische Theorien, dass das Bonville-Dreieck auch als Basis eines Vierecks (einer dreidimensionalen Dreieckspyramide) beschrieben werden kann und dass die optimale Funktion des Kiefers durch eine sechsmalige Spiegelung des Dreiecks erreicht werden kann, wodurch ein größeres Viereck entsteht, dessen Mittelpunkt der menschliche Schädel ist.
Seine Proportionen entsprechen in etwa dem Verhältnis von Höhe und Kante eines regelmäßigen Vierecks, das ungefähr 1,633 beträgt. Ein ähnliches Ergebnis erhält man bei der Analyse der Geometrie des „vitruvianischen Menschen”.

Umstrittene Punkte rund um die neuen Berechnungen
Nicht alle Mathematiker stimmen mit den Schlussfolgerungen von Mac Sweeney überein. Daniel Matthews von der Monash University weist auf Fehler in der Argumentation und Ungenauigkeiten in den Berechnungen hin. Seiner Meinung nach hatte da Vinci möglicherweise nicht die Absicht, bestimmte geometrische Proportionen zu verbergen.
„Da all diese … geometrischen Konstruktionen Techniken verwenden, die den alten Griechen und damit auch Leonardo da Vinci bekannt waren … erscheinen sie mir relativ wahrscheinlich“, schreibt Mathews. „Ich halte es auch für durchaus möglich, dass nichts dergleichen passiert ist – Leonardo hatte möglicherweise gar keine so elegante geometrische Konstruktion im Sinn … Nicht alles, was Leonardo da Vinci betrifft, muss unbedingt einen Geheimcode enthalten“, fügte er hinzu.